Veranstaltung: | Stadtparteitag 05./06. September 2025 |
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Tagesordnungspunkt: | 11. Anträge aus dem Kreisverband |
Antragsteller*in: | Jürgen Kasek (KV Leipzig) |
Status: | Zurückgezogen |
Eingereicht: | 02.09.2025, 17:23 |
A18: Für einen neuen Aufbruch
Antragstext
Der Vorstand wird beauftragt einen Strategiebildungsprozess zu starten unter
Einbeziehung der unterschiedlichen Ebenen und Mitglieder, unter Auswertung der
Wahlergebnisse und Kampagnen, um bis zum Ende des Jahres ein gemeinsames
Strategiepapier vorzulegen, dass die Richtung von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN in
Leipzig vorzeichnet.
Begründung
Es wird auf den offenen Brief verschiedener Mitglieder des KV Leipzig verwiesen:
Offener Brief an die Grünen in Leipzig
Liebe Freund*innen,
wir schreiben euch aus Sorge um die strategische Ausrichtung und die Zukunft unserer Partei. Seit der letzten Bundestagswahl ist nicht mehr klar erkennbar, wofür BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stehen. Zwar gibt es vereinzelt strukturelle Debatten, doch eine grundlegende inhaltliche und strategische Diskussion – insbesondere in Leipzig – ist nicht sichtbar. Dabei müsste eigentliche die notwendige Strukturdebatte der Ausrichtung folgen.
Die öffentliche Kommunikation wirkt uneinheitlich, ohne erkennbaren thematischen Schwerpunkt, oftmals selbstreferenziell und in einer grünen Blase verharrend. Eine strategische Klärung darf sich nicht an Schubladen wie „links“ oder „rechts“ orientieren, sondern muss konsequent entlang von Themen erfolgen.
Auch auf Bundesebene zeigt sich eine gewisse Orientierungslosigkeit – zwischen den Super-Realos aus Baden-Württemberg und den polarisierenden Auftritten der Grünen Jugend. Leipzig ist weder Berlin noch Stuttgart. Wir brauchen weder eine grüne Merkel-CDU noch einen Wettbewerb mit den Linken. Wir brauchen klare, eigene grüne Antworten.
Bei der letzten Bundestagswahl – wie schon zuvor – haben wir Stimmen an die Linke, die CDU und besonders bei jungen Wähler*innen verloren. Statt einer ehrlichen Fehleranalyse erleben wir vielerorts eine Wagenburgmentalität, die Ursachen vor allem bei äußeren Umständen sucht und erklärt, dass man die Deutung über die eigene Geschichte verloren habe. Mit dieser Analyse machen wir es uns zu leicht. Nur wer Fehler erkennt, kann daraus lernen. Es geht nicht um Schuld, sondern um Konsequenzen und gemeinsame Lösungen für eine lebenswerte Zukunft.
Mit der Oberbürgermeisterwahl 2027 steht bald ein entscheidender Wahlkampf bevor. Dafür müssen wir klären: Wer wollen wir sein? In der Außenwahrnehmung repräsentieren wir nicht die Breite der Gesellschaft. Es fehlen lebenserfahrene Menschen, Menschen mit Migrationsgeschichte und mehr junge Stimmen. Vielfalt, Kreativität, Witz und der Mut, bestehende Verhältnisse zu hinterfragen – einst Markenzeichen grüner Politik – sind verblasst. Die letzten Kampagnen wirkten seltsam verhalten, fast ängstlich. Auch die Grüne AG 60 plus hat auf diese Repräsentationslücke hingewiesen.
Unsere Wurzeln liegen in der Umweltbewegung. Angesichts der eskalierenden Klimakrise und des sechsten Massenaussterbens müssen Klima- und Umweltschutz wieder zentrale Themen werden. Die Frage darf nicht lauten: „Was können wir den Menschen zumuten?“ – sondern: „Wie viel Zeit bleibt uns noch?“ Die Zeit drängt, sie ist uns vorgegeben.
Glaubwürdigkeit leidet, wenn zwischen dem notwendigen Handeln und der äußeren Kommunikation in den sozialen Netzwerken ein uneinheitliches Bild entsteht und der Eindruck herrscht, dass wir als Grüne etwas predigen was wir selber nicht vorleben.
Ebenso schadet es, wenn aus Rücksicht auf Mehrheiten jeder Kompromiss mitgetragen wird, statt auch einmal ein klares Nein zu vertreten.
Wir haben in der Klimabewegung und bei jungen Menschen Vertrauen verloren – auch, weil wir in Asylpolitik und beim gesellschaftlichen Rechtsruck zu viele Zugeständnisse gemacht haben. Vertrauen lässt sich nicht von heute auf morgen zurückgewinnen. Doch grüne Politik lebt von Bündnissen, vom Stärken bestehender Initiativen – auch das muss wieder selbstverständlich werden.
Wer glaubwürdig bleiben will, darf nicht nur auf „staatspolitische Verantwortung“ verweisen. Manche Forderungen – gerade in Umwelt- und Klimafragen – haben derzeit keine Mehrheit, sind aber dennoch richtig. Ebenso muss klarer benannt werden, dass soziale Ungleichheit die Demokratie gefährdet, und dass das Ausspielen gesellschaftlicher Gruppen gegeneinander autoritären Einstellungen Vorschub leistet. Gerade die Klimafrage ist im Kern auch eine soziale Frage, da sozial benachteiligte Menschen die Auswirkungen bereits jetzt stärker spüren.
Wenn wir diese Notwendigkeiten nicht mehr formulieren, weil wir Mehrheiten bezweifeln, wird es sie auch nicht geben. Die Demokratie braucht Kompromisse – aber ebenso klare Kanten und erkennbare Grundsätze. Politik muss sich dabei an den realen Lebensverhältnissen der Menschen orientieren.
Wir wollen mit diesem Brief eine Debatte anstoßen: über eine klare Schwerpunktsetzung auf Umwelt- und Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit, Menschenrechte und Gleichberechtigung. Der gesellschaftliche Backlash und die autoritäre Formierung sind ebenso existentielle Herausforderungen wie Klimakrise und Artensterben.
Nicht wir müssen uns an den Zeitgeist anpassen – wir müssen wieder mutig vorangehen. Das muss unser Auftrag sein, gerade auch im Auftrag der kommenden Generationen und denen die diese Gesellschaft aufgebaut haben.
Unterzeichner: Lisa Falkowski, Harry Hensler, Horst Grummich, Kristina Kasek, Paul Riedel, Barbara Zwiener, Jürgen Kasek
Zustimmung
- Florian Tuczek
- Simon Carstens
Änderungsanträge
- Ä1 (Susanne Kucharski-Huniat (KV Leipzig), Eingereicht)
Kommentare
Friederike Zeiner:
Unsere Partei ist basisdemokratisch! Der Anspruch, der Vorstand solle nun die Richtung vorgeben stellt dieses Prinzip komplett auf den Kopf und hat nichts mit der Partei zu tun, in die ich eingetreten bin!
Und was soll dies für ein Signal an die vielen Neumitglieder darstellen, die mit ihren Themen, Wünschen und Vorstellung von einer guten Zukunft eingetreten sind? Ich finde es wichtiger, hier Mut zu machen, sich einzubringen! Denn das macht Grüne Politik inklusiv und stark! Liebe Freunde, bringt euch ein! Alle AGen sind bemüht, immer auch eine Online-Teilnahme zu ermöglichen. Und falls selbst dies nicht möglich ist, schreibt den AG-Koordinator*innen eure Ideen und Vorschläge.
Der Vorstand ist nicht das Gremium, welches eine politische Richtung vorzugeben hat. Dies unterscheidet uns von anderen Parteien. Und Das ist gut so!
Friederike Zeiner:
https://www.gruene.de/grundsatzprogrammprozess
Jürgen Kasek: